Sonntag, 30. Dezember 2012

Kapitel 1 – Wie es garantiert nicht weitergeht

Auszug aus dem Buch »Gradido – Natürliche Ökonomie des Lebens«



»Wir sind Sternenstaub, wir sind golden, gefangen im Geschäft mit dem Teufel,
und wir müssen zum Garten Eden zurückkehren.«

(We are stardust, we are golden, we are caught in the devil's bargain,
and we got to get ourselves back to the garden.)

– aus dem Lied »Woodstock«
von Joni Mitchell


Die derzeitige vom Menschen konstruierte Wirtschaft funktioniert ganz anders als die Natur.  Besser gesagt: sie funktioniert nicht! Denn wenn in der heutigen Zeit zwei Drittel der Menschheit unterhalb der Armutsgrenze leben, 24.000 Menschen pro Tag verhungern und dabei gleichzeitig unsere Umwelt zerstört wird, kann man nicht von einem funktionierenden Wirtschaftssystem sprechen.

Im ersten Kapitel sprechen wir daher über einige Dinge, die schief laufen auf dieser Erde. Wir werden einiges darüber erfahren, warum die Zustände heute noch so sind und warum es garantiert nicht mehr so weitergehen wird. Dabei werden wir uns jeder Schuldzuweisung enthalten. Wir alle haben dieses Spiel mitgespielt. Zwar haben wir im Theater des Lebens verschiedene Rollen gespielt, doch wir haben mitgespielt. Allen Mitspielern gilt unsere größte Wertschätzung und Anerkennung.

Das heutige Geld entsteht durch Schulden

Wussten Sie, dass unser derzeitiges Geld in erster Linie durch Schulden geschöpft wird? Vereinfacht kann man sich das folgendermaßen vorstellen: zwei Leute haben jeder ein Bankkonto, beide mit dem Kontostand »Null«. Nun machen die beiden ein Geschäft miteinander, und der eine überweist dem anderen anschließend 100 €. Danach hat einer plus100 € auf seinem Konto und der andere hat minus100 € Kontostand. Auf diese Art und Weise wurde Geld geschöpft, das vorher noch nicht da war. In der Fachsprache nennt man dies Giralgeld-Schöpfung. Würden die beiden Personen anschließend ein Gegengeschäft machen, in genau derselben Höhe, so wären die Kontostände wieder ausgeglichen, und das gerade geschöpfte Geld wäre verschwunden. Man könnte sich auch vorstellen, dass ganz viele Menschen sich am Markt beteiligen, und die Transaktionen sich mehr oder weniger ausgleichen. Ein perfektes Zahlungssystem also?

Einige Leute werden am Markt erfolgreicher sein als andere. Das wird dazu führen, dass sich immer mehr Geld auf ihre Konten konzentriert, während die anderen die dazugehörigen Schulden haben. In diesem System bedeutet der Reichtum des Einen immer die Schulden von vielen anderen. Ja, es bedeutet sogar, dass Wirtschaften nur mit Schulden möglich ist. Und da die Erfolgreichen ständig ihre Fähigkeiten verbessern und damit noch mehr Geld einnehmen, wird die Konzentration des Geldes immer stärker.

Nun könnten einige der bisher weniger Erfolgreichen auf die Idee kommen, ebenfalls ihre Fähigkeiten zu verbessern, um auf diese Art und Weise das Geld auf ihre Mühlen zu lenken. Dem einen oder anderen kann dies mit großen Kraftanstrengungen gelingen. Von diesen Menschen liest man dann in den berühmten Erfolgs-Stories. Doch die große Mehrheit kann es schon vom System her nicht schaffen. Denn das Schuldgeld-System verlangt, dass die Mehrheit Schulden haben muss, um die Guthaben einiger weniger auszugleichen. Um diese Tatsache zu verschleiern, tragen die Staaten die Schulden stellvertretend für ihre Bürger. Praktisch alle Staaten sind verschuldet, selbst und gerade auch die reichen Länder. Und mehr als zwei Drittel der Menschheit leben unterhalb der Armutsgrenze.

Die großen Vermögen dieser Welt konzentrieren sich auf einige wenige superreiche Familien. Doch bevor wir jetzt auf die Idee kommen, diesen Familien die Schuld zuzuschieben, halten wir uns vor Augen, dass wir alle Mitspieler in diesem großen Spiel sind. Gäbe es diese wenigen superreichen Familien nicht, wären immer noch manche Menschen cleverer als andere und würden die Geldströme auf ihre Mühlen lenken. Die Verhältnisse wären genauso wie jetzt, nur die Namen der Superreichen würden anders lauten. Denn die Zustände, so wie wir sie jetzt erleben, sind die logische Folge eines Geldsystems, dessen Geld durch Schulden geschaffen wird.

Vielfach wird behauptet, die jetzigen Verhältnisse kämen durch Zins und Zinseszins zustande. Es ist zwar richtig, dass Zins und Zinseszins die Entwicklung verstärken, doch die jetzigen Verhältnisse wären auch ohne Einführung des Zinses so gekommen. Machen wir uns nichts vor: es gibt Länder, da ist der Zins verboten. Doch auch in diesen Ländern gibt es einige wenige Superreiche und sehr viele arme Menschen. Zins und Zinseszins sind nicht der »Hauptfehler des Geldsystems«. Sie verstärken lediglich die logischen Folgen, die in jeder Form der Kredit-Geldschöpfung auftreten müssen. 

„Wenn dem so wäre“, höre ich Sie jetzt sagen, „dann müsste doch nahezu jeder Mensch Schulden auf seinem Bankkonto haben. Doch gerade die Ärmsten der Armen haben nicht einmal ein Bankkonto“. Damit haben Sie vollkommen recht, liebe Leserin und lieber Leser. Doch ich erwähnte es bereits: stellvertretend für ihre Bürger haben die Staaten die Schulden auf sich genommen. Sie konnten gar nicht anders, denn die Mathematik verlangt es so. Das ist der Grund, wieso praktisch alle Staaten dieser Welt hoch verschuldet sind.  In Deutschland haben wir zurzeit eine Pro-Kopf-Staatsverschuldung von ungefähr 20.000 Euro. Das heißt, noch bevor ein neugeborenes Kind seine Eltern mit dem ersten Schrei beglücken kann, ist es mit 20.000 Euro verschuldet.

Den Kapitaldienst für diese Schulden wird es im Laufe seines Lebens in Form von Steuern und anderen Abgaben zu leisten haben. Der größte Teil der Arbeitsleistung eines Menschen geht in diesen Kapitaldienst, damit die Schulden bedient werden, die er nicht einmal auf seinem Konto sieht. Nicht nur die Steuern sind hoch. Auch in den Preisen ist der Kapitaldienst versteckt. Denn auch die Unternehmen haben ihr Geld entweder von der Bank oder von Aktionären, die sogar eine höhere Rendite erwarten als sie bei einer Bank bekommen hätten. Dazu kommen die Steuern, die die Unternehmen selbst bezahlen müssen. Selbst wenn clevere Unternehmen relativ wenig Steuern zahlen, so zahlen sie doch Löhne und Gehälter, und diese sind hoch besteuert.

Man kann relativ gut leben in diesem System, wenn man ein gutes Einkommen hat. Und in einem Sozialstaat wie in Deutschland können auch Menschen ohne Arbeitseinkommen leben – durch Sozialhilfe. Die Sozialhilfe wird vom Staat bezahlt, der sich dadurch entweder zusätzlich verschuldet oder das Geld durch höhere Steuern hereinholen muss. Das wiederum schürt die Neid-Debatten, die uns hinlänglich bekannt sind. Doch das soziale Netz wird auch in Ländern wie Deutschland immer dünner, ganz zu schweigen von den armen Ländern.

Bleiben wir einen Moment noch bei den so genannten »guten« Einkommen. Gut bedeutet in diesem Zusammenhang »mehr als der Durchschnitt«. Dieses kleine Wörtchen »mehr« trägt eine enorme Sprengkraft in sich. Denn mehr als der Durchschnitt zu haben bedeutet, dass die Mehrheit weniger hat. Grundsätzlich wäre daran ja nichts Schlechtes. Die Menschen sind unterschiedlich und haben auch unterschiedliche Bedürfnisse. Doch wenn man mehr haben muss als andere, nur um ein einigermaßen angenehmes Leben führen zu können, dann bedeutet das, dass die Mehrheit kein angenehmes Leben führt. Und da jeder Mensch das natürliche Interesse hat, ein angenehmes Leben zu führen, ist der Konflikt vorprogrammiert. Sein Name lautet »Konkurrenzkampf«.

Fassen wir bis hierher zusammen:

  • Unser Geld wird zum größten Teil durch Schulden geschöpft.
  • Da einige Menschen geschickter mit Geld umgehen als andere, konzentriert sich immer mehr Geld auf einige Wenige, während sich die restlichen Vielen die Schulden teilen müssen, sei es in Form von Privatschulden oder Staatsschulden.
  • Dies führt zu immer härterem Konkurrenzkampf der Menschen untereinander.

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen