Dienstag, 17. April 2012

Pia fragt nach: „Wie habt ihr das geschafft?“ – 2.Teil

Auszug aus dem Buch »Gradido – Natürliche Ökonomie des Lebens«

2.Teil: Der friedliche Übergang


Wie kann es gelingen?


„Sag mal, Opa, für uns heute ist das logisch und einfach. Und wir wissen, dass der Übergang friedlich verlief. Aber wie war das in der Müllzeit? Die Menschen dachten damals ganz anders als wir. Wie konnte es gelingen?“

„Es war kaum zu erwarten, dass die ganze Welt auf einmal ein neues System einführt. Auch hätte kein Land im Alleingang aus den wirtschaftlichen Verflechtungen aussteigen können. Es mussten Wege gefunden werden, wie einzelne Länder innerhalb des bestehenden Systems gefahrlos beginnen konnten.“

„Konnten sie stufenweise eine Natürliche Ökonomie des Lebens einführen, ihre Volkswirtschaft sanieren und andere Länder zur Nachahmung anregen?“

„Das war das Ziel, doch ganz einfach war das nicht. Alle  Nationen waren hoch verschuldet, und die Staatsschulden stiegen von Jahr zu Jahr. Die Länder mussten mehr Geld ausgeben als sie einnahmen. Einige Leute meinten, das läge am Zinssystem. Doch das war nur die halbe Wahrheit.“

„Woran lag es dann?“

Ein Denkfehler im Steuersystem wird zur Chance.


„Wir fanden einen wesentlichen Denkfehler im damaligen Steuersystem, den die Ökonomen übersehen hatten: Besteuert wurde immer der Geldfluss! Ob Einkommen-, Umsatz- oder Verbrauchssteuern – immer sägte der Staat am eigenen Ast.“

„Ist doch klar! Durch Geldfluss-Steuern wird der wirtschaftliche Austausch ausgebremst.“

„Wir wissen das heute, Pia. Doch viele Ökonomen sahen den Wald vor lauter Bäumen nicht! Und was machten die Länder, die mehr ausgaben, als sie einnahmen und sich immer mehr verschuldeten? Sie versuchten Ausgaben zu sparen und Einnahmen zu vermehren. Sie verringerten die staatlichen Leistungen und erhöhten die Steuern. Was war wohl die Folge?“

„Wurde der Staatshaushalt verbessert?“

„Wenn überhaupt, dann nur kurzfristig! Langfristig hat er sich immer verschlechtert. Dafür gibt es einfache Gründe.“

„Welche denn?“

„Höhere Steuern erhöhten die Preise. Es wurde weniger gekauft. Die Leute versuchten alles selbst zu machen oder halfen sich mit Schwarzarbeit. Die Industrie produzierte im Ausland. In jedem Fall entstand volkswirtschaftlicher Schaden. Arbeitsplätze verschwanden. Der Staat hatte weniger Einnahmen und mehr Sozialausgaben.“

„Und geringere staatliche Leistungen brachten auch nur Nachteile. Die Lebensqualität sank. Die Wirtschaft hatte weniger Aufträge, was weniger Steuereinnahmen zur Folge hatte. Vielleicht hätte man besser die Steuern senken sollen?“

„Steuersenkungen hätten die Entwicklung nicht rückgängig gemacht. Sie hätten kurzfristig zu noch geringeren Staatseinnahmen geführt. Eine klassische Zwickmühle!“

„Und jetzt kam eure große Chance?“

„Ja! Hier war der Ansatz für die Natürliche Ökonomie, die ohne Geldfluss-Steuern den Staatshaushalt sichert. Wir entwickelten einen Plan zur schrittweisen Einführung der Natürlichen Ökonomie des Lebens.“

„Eine schrittweise Einführung?“

Klein anfangen...


„Unsere Herausforderung bestand darin, ein Projekt zu entwickeln, das den damaligen Gesetzen entsprach und klein anfangen konnte. Es sollte brennende Wirtschaftsprobleme auf regionaler Ebene lösen oder zumindest lindern helfen. Die Teilnehmer sollten einen so großen Nutzen davon haben, dass sie das Projekt gerne weiterempfehlen würden. Auf diese Weise könnte es zum Selbstläufer werden und die Natürliche Ökonomie des Lebens durch Mensch-zu-Mensch-Empfehlung verbreiten.“

„Eine große Herausforderung!“

„Wir analysierten die brennenden Wirtschaftsprobleme: Die Gemeinden hatten kaum noch Geld. Notwendige Arbeiten blieben liegen, oder wurden ehrenamtlich getan. Es gab sogar Bürgermeister, die ihre Arbeit freiwillig ohne Bezahlung machten. Viele Menschen wurden unschuldig arbeitslos, trotz ihrer Fähigkeiten, mit denen sie hätten Nutzen bringen können. Firmen und Selbstständige hatten zu wenige Aufträge, obwohl sie gute Leistungen anboten. Der Bedarf war zwar da, aber die Leute hatten nicht genug Geld.“

„Also habt ihr neues Geld gedruckt?“

„Nein! Natürlich konnten wir kein Geld drucken, Pia. Das durften nur die Zentralbanken. Aber Rabatt- und Bonus-Systeme waren verbreitet. So kreierten wir ein Rabatt-System, das wir »Gradido« nannten.“

„Und wie funktionierte das?“

„Jedes Mitglied des Netzwerkes bekam monatlich hundert Gradido auf seinem Konto gutgeschrieben: »Gradido, weil Du bei uns bist!« Damit konnte man zum Beispiel einen Rabatt bedanken, den man von einer Firma erhielt. Diese konnte wiederum einen Rabatt bei ihren Lieferanten bedanken, ihre Einkaufspreise senken, und so weiter.“

„Wenn man einen Rabatt von fünfzig Euro bekam, gab man dafür fünfzig Gradido?“

„Im Allgemeinen ja! Manche gaben mehr, manche weniger, denn der Ausgleich in Gradido war zunächst einmal freiwillig. Schließlich war der Gradido damals noch kein staatlich anerkanntes Zahlungsmittel.

Auch nachbarschaftliche Hilfe konnte man bedanken: Herr A mähte Frau B den Rasen. Dafür gab sie ihm Gradido. Herr A konnte nun Nachhilfe für seinen Sohn bedanken. Jung und alt stärkten ihre sozialen Kontakte und Netzwerke. Sie bekamen Spaß daran, einander zu helfen und zu danken. Ein neues Wir-Gefühl entstand.“

„Und welchen Vorteil hatten die Gemeinden davon?“

„Gemeinden und gemeinnützige Institutionen konnten weitere Gradido schöpfen um Bürgerschaftliches Engagement zu bedanken. Wichtige Leistungen, die auf Grund leerer Kassen nicht mehr bezahlbar waren, konnten von Freiwilligen Helfern erbracht werden, die damit in den Genuss vieler Vergünstigungen kamen.“

„So konnten die Gemeinden Kosten sparen?“

„Ja, und als dann Bund und Länder einstiegen, wurde sogar die Staatskasse entlastet.“

...und wachsen lassen


„Dann hat es bei den Politikern »klick« gemacht?“

„Oh ja! Bald fand sich eine Mehrheit für Gradido. Man beschloss, den Gradido schrittweise als Währung neben dem Euro einzuführen. Umsätze in Gradido waren steuerfrei, wie heute auch. Es begann mit zehn Prozent Mindest-Gradido-Anteil. Das steigerten wir jährlich bis auf fünfzig Prozent. So konnten sich alle langsam an die Natürliche Ökonomie des Lebens gewöhnen. Bei eventuellen Problemen hätte man genug Zeit zum Gegensteuern gehabt.“

„Das heißt, nach fünf Jahren musste jeder Anbieter mindestens die Hälfte aller Zahlungen in Gradido akzeptieren?“

„Stimmt. Damit waren alle Preise in Euro um mindestens die Hälfte gesunken. Ebenso die Lohn- und Stückkosten. Die andere Hälfte wurde mit Gradido bezahlt. Manche Anbieter akzeptierten sogar mehr Gradido, um besser ins Geschäft zu kommen. Inländische Produkte wurden konkurrenzfähiger. Selbst ausländische Anbieter begannen Gradido zu akzeptieren.“





Sanierung der Staatsfinanzen und Sicherung privater Vermögen


„Und der Staat?“

„Auch die Staatsausgaben in Euro sanken auf die Hälfte.  Das Gute war, dass die Steuer-Einnahmen nicht so schnell zurückgingen, da wegen der günstigen Euro-Preise mehr Umsätze gemacht wurden. Die gestiegene Wertschöpfung erhöhte die Lebensqualität aller Bürger. Aber das war noch längst nicht alles. Wir hatten uns nämlich vorgenommen, die Staatsschulden in wenigen Jahren zu tilgen – natürlich in Euro!“

„Die Staatsschulden in wenigen Jahren zu tilgen?“

„Ja! Dazu muss gesagt werden, dass die Welt mal wieder mitten in einer Wirtschaftskrise steckte. Das Geldsystem drohte jeden Moment zusammenzubrechen, denn das exponentielle Wachstum von Guthaben und Schulden konnte nicht mehr lange weitergehen. Ob Börsencrash, Krieg oder Inflation – irgendetwas würde mit großer Wahrscheinlichkeit passieren. Den Zeitpunkt kannte niemand. Jeden Augenblick könnten die Menschen ihr Vermögen verlieren. Wir suchten eine Möglichkeit, das Vermögen der Bürger zu sichern und gleichzeitig Staatsschulden zu tilgen. Wir entwickelten den Vermögensumtausch, kurz VUT, eine gegenseitige Verpflichtung, die beiden diente: dem Staat und seinen Bürgern.“

„Also wieder eine WIN-WIN-Situation!“

„Ja, Pia! Der Vermögensumtausch sah vor, dass ein Teil aller Euro-Guthaben in Gradido umgetauscht werden musste. Der Prozentsatz steigerte sich wieder jährlich in fünf Stufen. Nach fünf Jahren wurden von jedem Guthaben fünf Prozent pro Jahr umgetauscht.“

„Haben die reichen Leute ihr Geld nicht ins Ausland gebracht?“

„Dann wären sie nicht in den Genuss der Vermögenssicherung gekommen, die der Vermögensumtausch vorsah: Bei einem Wirtschaftscrash würden die zuletzt gemeldeten Guthaben festgeschrieben und im Laufe von zwanzig Jahren in Gradido ausgezahlt. Damit war jedes Vermögen auf mindestens zwanzig Jahre gesichert.“

„Nehmen wir an, ich hätte damals eine Million Euro gehabt. Dann hätte ich jedes Jahr fünfzigtausend Euro in Gradido umtauschen müssen?“

„Genau!“

„Solange der Euro stabil war, nahm mein Euro-Guthaben also ab?“

„Kommt drauf an. Clevere Geldanleger konnten ihr Geld für mehr als fünf Prozent anlegen.“

„Und beim Geld-Crash?

„Der Wert des Gradido blieb bestehen, denn er wurde für diesen Fall definiert: Zwanzig Gradido sind der Preis einer durchschnittlich qualifizierten Arbeitsstunde.“

„Aha! Mein Euro-Vermögen wäre futsch gewesen. Ich hätte jedoch zwanzig Jahre lang jedes Jahr fünfzigtausend Gradido bekommen. – Und von wem?“

„Vom Ausgleichs- und Umwelt-Fonds.“

„Hätte ich mein Geld heimlich ins Ausland gebracht, dann hätte ich nichts bekommen?“

„Richtig! Und da keiner wusste, wann es passiert, lohnte es sich, ehrlich zu sein. Außerdem hatten die meisten Menschen den großen Vorteil von Gradido erkannt: Mit Gradido kann man steuerfreie Geschäfte machen.“

Es hat geklappt!


„Und Deutschland wurde schuldenfrei?“

„Ja! Die vier Billionen Guthaben brachten jährlich einen Vermögensumtausch von zweihundert Milliarden Euro. In wenigen Jahren waren alle Staatsschulden getilgt.“

„Was sagten die anderen Länder dazu?“

„Die Welt reagierte anfangs skeptisch. Da aber der Außenhandel weiterlief, fanden sich bald Nachahmer, die ebenfalls den Gradido einführten.“

„Wie konnte der Außenhandel weiterlaufen?“

„Die Außenhandelspreise blieben gleich. Käufer aus dem Ausland konnten entweder alles in Euro bezahlen oder einen Teil in Gradido. So bekamen die Länder, die ebenfalls den Gradido eingeführt hatten, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den anderen.“

„Dann müssten eigentlich alle Länder den Gradido eingeführt haben.“

„Das taten sie auch nach und nach. Irgendwann kam dann der große Finanz-Crash. Aber das interessierte niemand mehr so richtig, denn alle waren ja bestens versorgt. Schließlich hatten wir überall Gradido und die Natürliche Ökonomie des Lebens.“


– – – Ende – – –



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