»Die Wirtschaft, insbesondere Kleingewerbe, Dienstleistungen
und Kunst, floriert bei uns wie noch nie. Andererseits arbeitet jeder nur
soviel, wie es ihm Spaß macht. Deshalb gibt es keine Überproduktion, die die
Umwelt unnötig belastet«.
– Joytopia
Wenn jeder das tut, was er liebt, wie wird sich die
Lebensqualität ändern? Welche Auswirkungen sind zu erwarten auf das
Arbeitsklima und auf die Produktivität? Wie zufrieden werden wohl die Kunden
sein? Würde überhaupt alles produziert werden, was gebraucht wird? Und wer
macht dann noch die Drecksarbeit?
Wer schon einmal ein gutes Persönlichkeitstraining oder
Erfolgsseminar besucht hat, weiß, dass man nur dann wirklich erfolgreich werden
kann, wenn man tut, was man liebt. Alle wirklich erfolgreichen Menschen tun, was sie lieben.
Oder können Sie sich einen Klaviervirtuosen vorstellen, der keine Musik mag;
einen Spitzensportler, der es hasst zu trainieren; einen Steve Jobs, der das
iPhone doof findet; oder einen Papst, der nicht gerne betet? Nur wenn man tut,
was man liebt, wird man es zu der Qualität und Produktivität bringen, die es
braucht, um außergewöhnliche Leistungen zu erbringen. Wenn man tut, was man
liebt, empfindet man seine Arbeit als Vergnügen. Mit großer Freude leistet man
mehr, arbeitet länger und besser, bringt bessere Resultate. Auftauchende
Probleme sieht man als willkommene Herausforderungen, sich selbst und die
Qualität seiner Arbeit noch weiter zu entwickeln. Selbstverständlich ist man
auch gerne mit seinen Kolleginnen und Kollegen zusammen, oder mit seinen
Geschäftspartnern und Kunden; denn mit ihnen teilt man ja die gemeinsame Bühne,
auf der man seine Lieblingsbeschäftigungen ausleben darf.
Wünscht sich nicht jeder Arbeitgeber derart motivierte
Mitarbeiter? Und wünscht sich nicht jeder Mitarbeiter solch tolle Chefs? Freut
sich nicht jeder Kunde über derart kompetente und kooperative Lieferanten und
Geschäftspartner?
Mit der Bedingungslosen
Teilhabe garantiert das Gradido-Modell allen Menschen, dass sie tun
dürfen, was sie lieben. Menschen, die verlernt haben, zu spüren was sie lieben,
erhalten wertvolle Unterstützung durch eine liebevolle Gemeinschaft, um ihr
volles Potenzial zu entfalten. Da jeder mit der Bedingungslosen Teilhabe
bereits versorgt ist, wird er darüber hinaus nur Arbeiten annehmen, die in
Bezug auf Arbeitsklima, Sinnhaftigkeit und Freude dem Standard entsprechen, der
durch die Bedingungslose Teilhabe vorgegeben ist. Potentielle Arbeitgeber und
Auftraggeber sehen sich vor die Herausforderung gestellt, mit ihren Angeboten
und Aufträgen diesen Ansprüchen zu genügen. Es wird also nur noch Arbeit
angeboten werden, die das Potenzial hat, geliebt zu werden.
»Ja, aber wer macht dann die Drecksarbeit?« – »Wer will dann
noch putzen?« – »Wer geht dann noch zur Müllabfuhr?« – So oder so ähnlich höre
ich Sie jetzt fragen. Lassen Sie mich diese Frage mit zwei Geschichten beantworten,
die ich persönlich erlebt habe.
Während meiner Schulzeit kam einmal die Woche eine Putzfrau
zu uns ins Haus – über viele Jahre lang immer dieselbe Dame. Nennen wir sie Frau Müller. An diesem
Wochentag, ich glaube es war donnerstags, mussten wir Jungs die Ohren anlegen.
Wir hatten allergrößten Respekt vor Frau Müller. Ihr Wort war Gesetz.
Spielsachen, die wir nicht aufgeräumt hatten, fanden wir manchmal im Mülleimer
wieder. Das passierte allerdings nicht oft, denn wir wussten, dass vor
Donnerstag-Morgen um 8:00 Uhr alles aufgeräumt sein musste. Darauf hatten wir
uns einzustellen. Meine Eltern schätzten Frau Müller sehr, denn durch ihre Art
brachte sie den Söhnen wenigsten etwas Ordnung bei. Ab und zu luden meine
Eltern sie zum Abendessen ein.
Können Sie sich vorstellen, dass Frau Müller ihre Arbeit
liebte? Jeden Donnerstag-Vormittag war sie in unserer Familie die Hauptperson,
der unangefochtene Chef. Sie hatte nicht nur ihre Arbeit im Griff, sondern auch
die beiden Lausbuben. Und bei ihren Auftraggebern war sie hoch angesehen.
Etwa fünfundzwanzig Jahre später sprach ich in der
Nachbarschaft mit einem jungen Mann. Er erzählte mir, dass er sich bei der
Müllabfuhr beworben hatte. Der Job sei spitze: man ist den ganzen Tag an der
frischen Luft, muss nicht denken dabei und wird gut bezahlt. Während seine
Altersgenossen noch die Schulbank drückten oder in der Berufsausbildung
steckten, hatte dieser junge Mann bereits ein gutes Einkommen und konnte sich
die Dinge leisten, von denen junge Menschen so träumen: ein schickes Auto, eine
gute Wohnung, Urlaub usw.
Ich weiß nicht, ob der junge Mann von damals auch heute noch
bei der Müllabfuhr ist. Und wie es der Zufall will: gerade jetzt, wo ich dies
schreibe, kommt draußen ein Müllauto vorbei. Man sieht keine Müllmänner mehr
laufen. Doch ich kann einen großen Greif-Arm beobachten, der vom Fahrer
gesteuert wird und die Mülltonnen selbstständig in den Container ausschüttet.
Solch ein Müllauto zu fahren scheint ein recht angenehmer Job zu sein. Auch ich
hätte meine Freude daran, dies ab und zu tun.
Was können wir daraus lernen? Zum einen sind die
Auffassungen darüber, welche Arbeit Freude macht und welche nicht, von Mensch
zu Mensch verschieden. Was der eine als Horror empfindet, kann dem anderen wie
ein Traumjob erscheinen, besonders wenn er gut bezahlt wird. Außerdem werden
immer mehr schwere Arbeiten von Maschinen erledigt, wie zum Beispiel der
Greif-Arm an dem Müllauto.
Drecksarbeit oder Traumjob, das sind also nur individuelle
Sichtweisen. Für jede Aufgabe gibt es auch Menschen, die sie gerne ausführen,
wenn sie dafür aufrichtige Wertschätzung und gute Bezahlung erhalten. Das gilt
auch für gefährliche Arbeiten. Es gibt Menschen, die das Abenteuer und die
Gefahr suchen. Ein normales Leben wäre ihnen zu langweilig. Die Natur sorgt für
alle, und sie sorgt auch dafür, dass für jede Herausforderung auch die Menschen
da sind, die sich ihr stellen.
Eine wichtige Voraussetzung wird jede Arbeit erfüllen
müssen, damit sich jemand findet, der sie tut: die Arbeit muss sinnvoll sein.
Kaum jemand wird sich in Gefahr bringen oder unangenehme Dinge tun, wenn er
darin keinen Sinn sieht. In der Natürlichen Ökonomie des Lebens ist das
Geldverdienen nicht mehr der hauptsächliche Sinn und Zweck einer Arbeit. Geld
ist kein Druckmittel mehr und schon gar nicht ein Machtmittel. Geld ist ein
Motivationsmittel unter vielen geworden. Es kann nach wie vor Menschen
motivieren, etwas zu tun, das sie ohne Geld nicht getan hätten. Aber es ist
nicht mehr das einzige Motivationsmittel. Sinnhaftigkeit, Arbeitsklima, Freude,
Spaß, Wertschätzung und Dank sind weitere Motivationsfaktoren, die stimmen
müssen. Allen gemeinsam ist, dass sie die Lebensqualität aller Beteiligten
heben. Sie dienen also dem Dreifachen Wohl:
dem Wohl des Einzelnen, dem Wohl der Gemeinschaft und dem Wohl des großen
Ganzen.
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