Wir näherten uns einem Sonnensystem, und bald schon schwebte
sie vor uns: Freegaia, ein wunderschöner blauer Planet, ganz ähnlich unserer
Erde. Sanft tauchten wir in die Atmosphäre ein und landeten mitten in einem
herrlichen Park, ähnlich einem riesigen Garten. Unbeschreiblich schöner Duft
wurde von den Pflanzen ausgeströmt. Ab und zu huschte fast lautlos ein kleines
Luftfahrzeug über unsere Köpfe.
Doch da: inmitten der Pflanzen standen Häuser. Sie sahen
nicht aus wie unsere Häuser, sie fügten sich so in die Natur ein, dass man sie
von weitem gar nicht als Häuser erkannte.
Die Menschen, die uns begegneten, grüßten alle freundlich.
Sie schienen glücklich zu sein. Mensch und Natur lebten in Harmonie zusammen.
„Wie habt ihr das alles so hin gekriegt? Kannst du mir etwas
über eure Technologie sagen?“
„Technologie war noch nie ein Problem,“ sagte Very, „das
Problem, das es zu lösen galt, lag im Denken der Bewohner und in der
Wirtschaft. Durch Mangeldenken hatten sich unsere Vorfahren ein
Wirtschaftssystem ausgedacht, das von Konkurrenzkampf geprägt war. Inzwischen
ist unser Zusammenleben und damit unsere Wirtschaft geprägt von überfließender Fülle, Reichtum und Liebe
zur Natur und allem was existiert.“
Very gab mir einen kurzen Abriss über die Geschichte auf
seinem Planeten:
„Vor geraumer Zeit hatten sich einige raubende, mordende
Fleischfresser – Ramofl – immer mehr
an die Macht gebracht, indem sie Kraft ihrer kriegerischen Überlegenheit
schwächere Menschen ermordet und ihrer Lebensgrundlage beraubt hatten. Damit
sich die Ramofl nicht selbst
auffraßen, wurden mächtige Gesetzbücher geschrieben, in denen jegliche
Kleinigkeit geregelt wurde. Denn Verstand und Ethik der Ramofl reichten für ein
friedliches Miteinander nicht aus. In diesen Gesetzbüchern standen Anweisungen,
wie »Du sollst nicht töten«. Das musste den Ramofl ausdrücklich gesagt werden!
Während den Raubzügen der Ramofl
wurden diese Gesetze entweder außer Kraft gesetzt, oder man definierte die
Gegner als »Wilde«, die es zu missionieren oder auszurotten galt. Nach den
Raubzügen führten dann »humanistische« Ramofl gleiches Ramofl-Gesetz für alle
ein. Damit wurde Stabilität erzeugt und die neuen Machtverhältnisse
einzementiert.
Die Hauptillusion der Ramofl war das Mangeldenken. Es war scheinbar nicht genug
für alle da. Ihre Lieblings-Beschäftigung war deshalb der Kampf bzw.
Konkurrenzkampf. Es musste Sieger und Verlierer geben. Da Töten verboten war
und die meisten »Wilden« sowieso schon ermordet oder missioniert waren,
verlagerten ehrgeizige Ramofl ihre Aktivitäten auf andere Gebiete, nämlich
Wirtschaft, Sport und Spiel. In Sport und Spiel konnten sie auf relativ
ungefährliche Weise ihren
Konkurrenzkampf ausleben. In der Wirtschaft hingegen führte der Ramoflismus zu immer mehr sozialer
Ungerechtigkeit. Die Kluft zwischen Armen und Reichen wurde immer größer.
Auf Freegaia gab es immer schon Leute, die die Natur
beobachteten und ihre Gesetze zu ergründen suchten. In früheren Zeiten hatte
man sie als Ketzer verbrannt. Als
sich aber später ihre Erkenntnisse militärisch nutzen ließen, wurden sie zu Wissenschaftlern ernannt. Naturbeobachter,
die keine militärisch nutzbaren Entdeckungen brachten, nannte man Scharlatane und gab sie der Lächerlichkeit
preis.
Mit der Zeit wurde das Klima liberaler und immer mehr Staaten
konvertierten zu Demokratien. Kurz
vor dem Neuen Zeitalter begannen sich die Beobachtungen der Wissenschaftler und der Scharlatane immer mehr zu decken. Man fand
Entsprechungen zwischen den Naturwissenschaften, der Philosophie und den
Religionen. Diese begann man auf Politik und Wirtschaftslehre zu übertragen.
Man verglich die
Wirtschaft mit der Natur:
Die Natur produziert Nahrung aus sich selbst heraus und
schenkt sie ihren Lebewesen. Wenn die Natur in Ordnung ist, herrscht überfließende Fülle, d.h. es ist mehr
Nahrung da, als gebraucht wird. Die Nahrung ist vergänglich und kann nur eine
bestimmte Zeit gelagert werden.
In der Natur gibt es keine Schulden und keine
Zinswirtschaft. Deshalb kommen Pflanzen und Tiere nicht auf die Idee, mehr zu
horten, als sie brauchen. Dadurch gibt es keine »reichen« und »armen« Pflanzen
oder Tiere.
Und noch etwas: Ob und wie hart Tiere für ihre Nahrung
arbeiten, ist von Lebensform zu Lebensform sehr verschieden. Jedes frei lebende
Tier verhält sich seinem Wesen entsprechend.
Will man ein Tier in Gefangenschaft zur Arbeit bringen, muss man es ständig
dazu antreiben. Kein Tier würde für ein »Recht auf Arbeit« kämpfen.
In der damaligen Zeit erhielten die Menschen noch kein
Grundeinkommen. Obwohl die Staaten Steuern von ihren Bürgern forderten, war ihr
Geldmangel so groß, dass sie sich jedes Jahr aufs Neue verschulden
mussten. Man achtete peinlich auf die
Stabilität des Geldes, was allerdings nur selten gelang. Das Geld wurde durch
Schulden geschöpft, und es gab Zinswirtschaft. Sowohl die Guthaben, als auch
die Schulden wurden immer höher. Die Bürger, setzten alles daran, Geld
anzuhäufen. Die Reichen wurden immer reicher und die Armen wurden immer ärmer.
Was die Arbeit betraf: die meisten Leute verrichteten
ähnliche Arbeiten, die selten ihrem Wesen entsprachen. Obwohl sie diese
wesensfremden Arbeiten nicht gerne taten, hatten sie sich das Recht auf Arbeit
zuvor hart erkämpft. Trotz dieses Rechtes waren große Teile der Weltbevölkerung
arbeitslos. Auf der anderen Seite herrschte ein Überfluss an Waren- und
Dienstleistungsangeboten.
Die Wirtschaft
verhielt sich genau entgegengesetzt zur Natur. Wir mussten also unsere
wirtschaftlichen Gepflogenheiten umpolen und in Einklang mit der Natur bringen.
Diese Erkenntnis war der Schlüssel zu weltweitem Wohlstand!
So entwickelten wir unser neues Wirtschaftsmodell, das noch heute
auf dem gesamten Planeten praktiziert wird und allen Beteiligten Reichtum und
Glück beschert: die Natürliche Ökonomie des Lebens.“
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