Freitag, 30. November 2012

Kapitel 2.4 – WIN-WIN-Finanzierungen

Auszug aus dem Buch »Gradido – Natürliche Ökonomie des Lebens«



 „Wie könnt ihr große Beträge finanzieren, wenn das Geld vergänglich ist?“

„Durch Kredite. Beide Parteien haben ihren Vorteil dabei. Der Kreditgeber erhält zum vereinbarten Zeitpunkt sein volles Geld zurück. Hätte er keinen Kredit gegeben, wäre sein Geld durch die Vergänglichkeit weniger geworden. Der Kreditnehmer bekommt einen zinsfreien Kredit. Eine klassische WIN-WIN-Situation.“

„Das habe ich jetzt noch nicht ganz verstanden.“
„Stell dir vor, eine junge Familie möchte sich ein Heim bauen und braucht dazu einen Kredit. Sagen wir mal 100.000 Gradido. Andere haben viel Geld auf ihrem Konto, das in ein paar Jahren weg wäre. Sie geben der jungen Familie Kredite im Wert von insgesamt 100.000 Gradido, womit diese ihr Haus baut. In ein paar Jahren zahlt sie den Kredit zurück, und die Kreditgeber haben ihre vollen 100.000 Gradido wieder.“

„Das klingt ganz einfach und logisch. Gibt es noch so etwas, wie Geldanlagen?“

„Ja, einmal kann man sein Geld verleihen, also Kredite vergeben, zum anderen kann man sich finanziell an Projekten beteiligen, so ähnlich wie bei euch mit Aktien. Allerdings ist der Bedarf an Krediten und Geldanlagen zurückgegangen. Schließlich ist jeder jederzeit versorgt. Man muss also kein Geld mehr anhäufen um schlechten Zeiten vorzubeugen. Die Angst vor dem Nicht-Versorgt-Sein hat sich aufgelöst. Wir leben alle viel mehr im Hier und Jetzt. Und im Hier und Jetzt sind wir versorgt. Oft spenden wir auch einen großen Teil unseres überschüssigen Geldes.“

„Wirklich?"

„Ja, wenn jemand ein Projekt plant und noch Geld dazu braucht, schreibt er an seine Freunde. Diejenigen, denen das Projekt gefällt, unterstützen ihn und leiten seinen Aufruf an ihre Freunde weiter. So kann es sein, dass er reichliche Unterstützung von Leuten bekommt, die er vorher noch nicht einmal kannte. Wir nennen das auch Hier-und-Jetzt-Finanzierung“

„Und das funktioniert?“

„Kommt auf die Menschen und das Projekt an. Egotrips lassen sich so nicht finanzieren. Auch bei euch gibt es Spenden. Meist spendet ihr für einen guten Zweck, z.B. um Menschen in Not zu helfen. Bei uns gibt es keine Not mehr, aber es gibt viele gute Zwecke. Die dritte Silbe von Gradido, das »Do« steht für »Donation« (deutsch: Spenden).“

„Und Ihr seid wirklich so freigiebig?“

„Einige mehr, andere weniger. Jeder nach seinem Willen. Schließlich haben wir Geld in überfließender Fülle. Wenn wir es zu behalten versuchen, zerrinnt es uns zwischen den Fingern. Und wir bekommen immer mehr neue Freunde, indem wir einander helfen. Wenn wir mal was brauchen, wird uns auch geholfen.“

„Das erinnert mich an den »Donation-Button«, den Spenden-Knopf, den wir oft bei Anbietern freier Software oder anderer freier Inhalte im Internet finden. Das ist eine prima Sache: Jeder darf die Software oder Information kostenlos herunterladen, kopieren und an Freunde weitergeben. Wenn man die Sache gut findet, lässt man den Autoren eine Spende zukommen. Ohne Vertriebskosten lassen sich gute Sachen schnell auf der ganzen Welt verbreiten, und die Autoren bekommen Geld um ihre wertvolle Arbeit weiter zu führen.“

„Ja, Open Source, Creative Commons und ähnliche Initiativen sind bereits Brücken in die neue Zeit! So können Projekte realisiert werden, die sonst kaum möglich wären. Bei unserem Freien Schenken ist es ähnlich: Wir machen  anderen Geschenke, die helfen sollen, deren Wünsche und Projekte zu realisieren. Geld haben wir in überfließender Fülle. Spenden fällt uns leicht. Dazu kommt das Glücksgefühl, anderen geholfen zu haben. Freust du dich auch, wenn du anderen helfen kannst?“

„Ja, wenn ich es ganz freiwillig tue, ganz gleich, ob es jemand von mir erwartet oder nicht. Dann fühle ich mich wohl dabei.“

„So ist das beim Freien Schenken. Es ist absolut freiwillig und macht Spaß. Außerdem sehen wir das Ganze mehr als Spiel."

„Als Spiel?“

„Ja, Geld hat bei uns längst nicht mehr den Stellenwert, wie bei euch. Da jeder  genug davon hat, kann man niemanden mehr mit Geld zwingen. Geld ist nur noch ein Motivationsmittel, kein Machtmittel. Alles ist spielerischer geworden. Arbeit ist Spiel, Handel ist Spiel. Wer nicht mitspielen will, hat etwas weniger Geld zur Verfügung, aber immer noch mehr als genug zum Leben.“

„Gibt es dann noch Konkurrenzkampf?“

„Im sportlichen Sinne ja! Sicher sind manche Unternehmungen erfolgreicher als andere. Aber es kann keine wirklichen Verlierer geben.“

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