„Durch Kredite. Beide Parteien haben ihren Vorteil dabei.
Der Kreditgeber erhält zum vereinbarten Zeitpunkt sein volles Geld zurück.
Hätte er keinen Kredit gegeben, wäre sein Geld durch die Vergänglichkeit weniger
geworden. Der Kreditnehmer bekommt einen zinsfreien Kredit. Eine klassische
WIN-WIN-Situation.“
„Das habe ich jetzt noch nicht ganz verstanden.“
„Stell dir vor, eine junge Familie möchte sich ein Heim
bauen und braucht dazu einen Kredit. Sagen wir mal 100.000 Gradido. Andere
haben viel Geld auf ihrem Konto, das in ein paar Jahren weg wäre. Sie geben der
jungen Familie Kredite im Wert von insgesamt 100.000 Gradido, womit diese ihr
Haus baut. In ein paar Jahren zahlt sie den Kredit zurück, und die Kreditgeber
haben ihre vollen 100.000 Gradido wieder.“
„Das klingt ganz einfach und logisch. Gibt es noch so etwas,
wie Geldanlagen?“
„Ja, einmal kann man sein Geld verleihen, also Kredite
vergeben, zum anderen kann man sich finanziell an Projekten beteiligen, so
ähnlich wie bei euch mit Aktien. Allerdings ist der Bedarf an Krediten und
Geldanlagen zurückgegangen. Schließlich ist jeder jederzeit versorgt. Man muss
also kein Geld mehr anhäufen um schlechten Zeiten vorzubeugen. Die Angst vor
dem Nicht-Versorgt-Sein hat sich aufgelöst. Wir leben alle viel mehr im Hier
und Jetzt. Und im Hier und Jetzt sind wir versorgt. Oft spenden wir auch einen
großen Teil unseres überschüssigen Geldes.“
„Wirklich?"
„Ja, wenn jemand ein Projekt plant und noch Geld dazu
braucht, schreibt er an seine Freunde. Diejenigen, denen das Projekt gefällt,
unterstützen ihn und leiten seinen Aufruf an ihre Freunde weiter. So kann es
sein, dass er reichliche Unterstützung von Leuten bekommt, die er vorher noch
nicht einmal kannte. Wir nennen das auch Hier-und-Jetzt-Finanzierung“
„Und das funktioniert?“
„Kommt auf die Menschen und das Projekt an. Egotrips lassen
sich so nicht finanzieren. Auch bei euch gibt es Spenden. Meist spendet ihr für
einen guten Zweck, z.B. um Menschen in Not zu helfen. Bei uns gibt es keine Not
mehr, aber es gibt viele gute Zwecke. Die dritte Silbe von Gradido, das »Do«
steht für »Donation« (deutsch: Spenden).“
„Und Ihr seid wirklich so freigiebig?“
„Einige mehr, andere weniger. Jeder nach seinem Willen.
Schließlich haben wir Geld in überfließender Fülle. Wenn wir es zu behalten
versuchen, zerrinnt es uns zwischen den Fingern. Und wir bekommen immer mehr
neue Freunde, indem wir einander helfen. Wenn wir mal was brauchen, wird uns
auch geholfen.“
„Das erinnert mich an den »Donation-Button«, den
Spenden-Knopf, den wir oft bei Anbietern freier Software oder anderer freier
Inhalte im Internet finden. Das ist eine prima Sache: Jeder darf die Software
oder Information kostenlos herunterladen, kopieren und an Freunde weitergeben.
Wenn man die Sache gut findet, lässt man den Autoren eine Spende zukommen. Ohne
Vertriebskosten lassen sich gute Sachen schnell auf der ganzen Welt verbreiten,
und die Autoren bekommen Geld um ihre wertvolle Arbeit weiter zu führen.“
„Ja, Open Source, Creative Commons und ähnliche Initiativen
sind bereits Brücken in die neue Zeit! So können Projekte realisiert werden,
die sonst kaum möglich wären. Bei unserem Freien
Schenken ist es ähnlich: Wir machen
anderen Geschenke, die helfen sollen, deren Wünsche und Projekte zu
realisieren. Geld haben wir in überfließender Fülle. Spenden fällt uns leicht.
Dazu kommt das Glücksgefühl, anderen geholfen zu haben. Freust du dich auch,
wenn du anderen helfen kannst?“
„Ja, wenn ich es ganz freiwillig tue, ganz gleich, ob es
jemand von mir erwartet oder nicht. Dann fühle ich mich wohl dabei.“
„So ist das beim Freien Schenken. Es ist absolut freiwillig
und macht Spaß. Außerdem sehen wir das Ganze mehr als Spiel."
„Als Spiel?“
„Ja, Geld hat bei uns längst nicht mehr den Stellenwert, wie
bei euch. Da jeder genug davon hat, kann
man niemanden mehr mit Geld zwingen. Geld ist nur noch ein Motivationsmittel,
kein Machtmittel. Alles ist spielerischer geworden. Arbeit ist Spiel, Handel
ist Spiel. Wer nicht mitspielen will, hat etwas weniger Geld zur Verfügung,
aber immer noch mehr als genug zum Leben.“
„Gibt es dann noch Konkurrenzkampf?“
„Im sportlichen Sinne ja! Sicher sind manche Unternehmungen
erfolgreicher als andere. Aber es kann keine wirklichen Verlierer geben.“
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